Einigermaßen irritiert stand ich kürzlich vor dem Werbeplakat einer Institution, die ich wegen ihres Anliegens eigentlich sehr schätze. Ästhetisch sehr ansprechend gestaltet, zierte das Plakat der Satz: „Werden wir jemals lernen, zu gehen?“ Mir stellte sich die Frage, wer diesen Satz so geschrieben, wie viele Menschen ihn gelesen und wer ihn letztendlich freigegeben hat. Und warum niemandem aufgefallen ist, dass hier ein Beistrich steht, der definitiv nicht hingehört. (Konkret kann oder – in vielen Fällen – muss ein Beistrich vor einer Nennformgruppe stehen. „Zu lernen“ ist zwar eine Nennform, aber von Gruppe ist keine Spur.)
Die Beistrichsetzung ist für viele Menschen ein Kapitel, mit dem sie sich nicht auseinandersetzen wollen, weil es den Ruf hat, fürchterlich kompliziert zu sein. Das stimmt nicht. Es gibt einige wenige Regeln, die man mit ein bisschen Übung relativ rasch automatisieren kann. Doch wer kennt nicht die Tendenz, bestimmte Themen von sich fernzuhalten? Ich rufe etwa bei den einfachsten technischen Problemen sofort einmal um Hilfe, bevor ich selbst versuche, sie zu lösen. Wenn ich Texte zur Korrektur oder zum Lektorat erhalte, so betreffen die meisten Ausbesserungen die Zeichensetzung. Dafür gibt es schließlich Anbieter wie wortbildung.
Wenn jedoch professionelle Schreiber und Schreiberinnen die einfachsten Regeln nicht berücksichtigen, stellt sich die Frage nach dem Umgang mit Sprache an sich. In Zeiten, in denen Deutschkenntnisse auch ein Politikum geworden sind, wäre es wünschenswert, in Publikationen, auf Plakaten und anderen öffentlichen Texten eine gewisse Sorgfalt walten zu lassen. Der Anspruch, dass etwas Geschriebenes nicht nur originell und ansprechend, sondern einfach nur richtig sein sollte, ist wohl nicht zu hoch gesteckt.