Es gibt wenige Themen im Bereich der Schriftsprache, die für mehr Kontroverse sorgen, als die Frage nach der gendergerechten Schreibweise. Am Anfang stand die Forderung, Frauen in der Sprache sichtbar zu machen. Als Beispiel fungierte „Chirurg“. Ohne die Nennung der weiblichen Form hätte niemand das Bild einer Chirurgin vor Augen. Somit hat sich – auch durch entsprechende Gesetze – die Nennung beider Geschlechter etwa bei Stellenausschreibungen durchgesetzt. Moniert wurde jedoch bald, dass in Texten dadurch die Prägnanz und die Lesbarkeit litten. Zwar bewegt man sich mit der Verwendung geschlechtsneutraler Begriffe wie Studierende oder die Anführung beider Geschlechter, also Studenten und Studentinnen, auf sicherem Terrain, trotzdem kommen auch hier schon allein durch die Forderung danach ideologische Einwände.
Diese sind natürlich noch viel krasser, wenn ein Binnen-I oder ein Schrägstrich verwendet werden, also von StudentInnen oder Student/innen die Rede ist. Während konservative KritikerInnen von Genderwahn sprechen, verweist die Queer-Theorie darauf, dass Geschlecht vor allem als soziales Konstrukt gedacht werden muss und zudem bei weitem weniger eindeutig ist, als uns die Biologie weismachen will. Um dies sichtbar zu machen, werden ein Unterstrich oder ein Stern verwendet, also Student_innen oder Student*innen, wobei Zweifel auch bei eindeutigen Begriffen wie Mann* angemeldet werden können.
Wie auch immer man sich positioniert: Tatsächlich ergeben sich dadurch grammatikalische Probleme, insbesondere wenn Nomen im Singular gegendert werden. Die ÄrztIn würde neben der Ärztin auch einen Ärzt bezeichnen. Und wie kann etwa ein Relativsatz sinnvoll anschließen? Eine ÄrztIn, der/die seine/ihre PatientInnen vormittags betreut? Hier gilt es, Lösungen im Sinne der Lesbarkeit zu finden.
Wenn Sie mir einen Text zum Lektorat oder zum Korrekturlesen übermitteln, entscheiden Sie, ob und wie Sie gendern wollen. Meine Aufgabe ist es dann, auf Einheitlichkeit und Durchgängigkeit zu achten. Ich persönlich verwende in meinen Texten das Binnen-I, wobei ich grammatikalisch der weiblichen Form den Vorrang gebe.